Um das Akku zu ent-, äh, aufladen ging es auch heuer wieder nach Berlin. Geplant waren drei Tage nerdiges Klassentreffen der digitalen Society auf der re:publica – plus Netzfest im Park am Gleisdreieck.

Und doch kam alles ganz anders: Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich die Laxheit auf.

Tagsüber Halligalli, abends Streaming

Noch in Wien waren die To-do-Listen lang: Es gab kaum Freizeit, dafür intensives Brüten über Verträge, Verordnungen und andere Unlustigkeiten, die den Tagesablauf bestimmten. Direkt sind ein paar Wehwehchen aufgetreten, die beim langen Sitzen und Zuhören auf der Konferenz zu rebellieren drohten – auf der anderen Seite reinste Euphorie beim Gedanken an Zitronenlimo in der Sonne. Und überhaupt lassen sich Panels, Diskussionen, Vorträge, ja fast das ganze Programm auch im Bett lümmelnd per streaming konsumieren.

Besagter Lenz

Ungefähr so lässt sich meine Zeit in Berlin im Nachhinein zusammenfassen:

Meine Woche in Worten und großen Bilder


C/O Berlin

Viele Menschen hatte der bedeutende Fotograf Irving Penn vor der Kamera. Neben Pablo Picasso, Marlene Dietrich und Alfred Hitchcock verewigte Penn auch Ureinwohner Neuguineas sowie abstrakte weibliche Akte. Abgesehen davon war er der Modefotograf für die »Vogue«. Unter dem Titel „Irving Penn. Centennial – Der Jahrhundertfotograf“ zeigt die Sonderausstellung 240 Fotografien anlässlich des 100. Geburtstages des verstorbenen Künstlers. Vorwiegend sind die von ihm bevorzugten Schwarz-Weiß-Versionen seiner Arbeiten zu sehen.

“Sensitive people faced with the prospect of a camera portrait put on a face they think is the one they would like to show to the world… Every so often what lies behind the facade is rare and more wonderful than the subject knows or dares to believe.” – Irving Penn

Sehenswert, wenn: du Fotografie liebst.
Du solltest nicht vergessen: ein Foto von der Treppe im Museum zu machen.
Du musst nicht: das Programm studieren, um einen Grund für den Besuch zu haben.

"Irving Penn: Centennial" at C/O Berlin

"Irving Penn: Centennial" at C/O Berlin


East Side Gallery

Die East Side Gallery gehört zu den größten Besuchermagneten Berlins. Sie ist das längste erhaltene Teilstück der Berliner Mauer und mit bemalten 1,3 Kilometern die größte dauerhafte Open-Air-Galerie weltweit. 101 großformatige Bilder von 118 Künstlern aus 21 Ländern stehen für die Freude über den Mauerfall, für Friede, für Freiheit, für Träume, für Schicksale, für Hoffnung und für Wünsche.

„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ – August Bebel

Sehenswert, weil: Geschichte als unmittelbare Vergangenheit noch präsent ist.
Du solltest wissen, dass: 120 tonnenschwere Mauerreste in über 40 Staaten auf allen Kontinenten stehen. Wie sie dort hingelangt sind, ist bisweilen nebulos.
Du musst nicht: auf die Uhr sehen. Die East Side Gallery hat rund um die Uhr geöffnet.


Kunstautomat

Seit 2001 gibt es sie in Berlin: die Kunstautomaten. Handlich und originell lassen sich kleine Überraschungen wie Bilder, Zeichnungen oder Objekte aus dem Kunstautomaten drücken. In jeder Kunstschachtel liegt ein Beipackzettel, der über das Leben und das Wirken der Künstler erzählt.

Sehenswert, wenn: du ein ausgefallenes Mitbringsel oder eine neue Sammlerleidenschaft suchst.
Du solltest nicht vergessen: Kleingeld dabei zu haben.
Du musst nicht: rauchen, um den Automaten bedienen zu können.


RAW Gelände

Früher wuschen sich Arbeiter in den Gebäuden auf diesem Areal Schichten von Kohlestaub ab: Die Abkürzung RAW steht für Reichsbahnausbesserungswerk – die älteste Fabrik im Ortsteil Friedrichshain. Heute ist der Ort No-go-Area, Partymeile, Touristenmagnet und Brennpunkt zugleich – die ehemalige Wagen-Reparaturanlage ist besiedelt von Clubs, Bars, Künstlern und Touristen. Seit einiger Zeit wird über die Zukunft der RAW Fabrik heftig diskutiert: Dabei geht es nicht nur um Kommerz, sondern auch um Kunst, interkulturelle Projekte, Subkultur und Freiraum.

Sehenswert, wenn: du großes Heimweh nach dem Flex verspürst!
Du solltest nicht vergessen:
Das RAW ist kein Disneyland!
Du musst nicht: dem DJ deine Lieblingsplaylist aufsagen – er hat seine eigene.

 


Sardinen.Bar

In der Sardinen.Bar werden die besten Fischkonserven serviert: Jahrgangssardinen, Thunfisch und viele weitere Köstlichkeiten aus dem Meer – alles, nur keine herkömmlichen Fischdosen aus dem Supermarkt. Die Konserven stammen aus kleinen, familiengeführten Betrieben aus Portugal und Frankreich. Dazu gibt es frischen Salat, Brot und ausgesuchte Weine. Ein Urlaub im Urlaub!

Sehenswert, wenn: du auf „Ölgemälde“ stehst.
Du solltest nicht vergessen: nach der leeren Sardinendose zu fragen – als Erinnerung für daheim.
Du musst nicht: gleich drei Dosen auf einmal bestellen. Sardinen, im reinen Olivenöl, sind gehaltvoll und sättigend.

Aunt Benny

Bagels, Banana Bread, Muffins, hausgemachte Kuchen, Avocadotoast und vorzüglicher Kaffee – im Aunt Benny lässt es sich herrlich in den Tag starten. Unverkennbar wird das Lokal von Interieur-Designern und Architekten betrieben: gemütlich, modern und minimalistisch mit vielen Sitzgelegenheiten.

Sehenswert, wenn: du in Interior-Design vernarrt bist und auf guten Kaffee Wert legst.
Du solltest nicht vergessen: die Brownies zu probieren.
Du musst nicht: deine eigene Literatur mitbringen. Zu lesen gibt es Tageszeitungen, Vogue und Wired sowie verschiedene Interieur-Magazine.

Kuchenrausch

In diesem Kaffeehaus werden die Kuchen und Torten nicht zugeliefert, sondern selbst hergestellt – nicht nur der Cheesecake ist fantastisch. Kuchenrausch: Der Name hält was er verspricht!

Sehenswert, wenn: du ein Schleckermäulchen bist.
Du solltest nicht vergessen: einen Blick in die Kuchenvitrine zu machen. Zur Auswahl stehen bis zu 13 verschiedene hausgemachte Kuchensorten.
Du musst nicht: nach kurzer Zeit aufbrechen. Der Geschäftsführer verrät:

„Bei uns kann man den ganzen Tag verbringen und sich währenddessen verwöhnen lassen!“

Wochenmarkt Winterfeldtplatz

Am Mittwoch und am Samstag wird der Winterfeldtplatz in Schöneberg zum Marktgebiet. Für mich ist es einer der schönsten Märkte überhaupt: Besonders herrlich ist es, draußen zu sitzen und dem Treiben zuzusehen. Leider kann man die tollen Lebensmittel, Bioprodukte, Säfte, Blumen und vieles mehr als Tourist nicht mitnehmen, dafür aber bestaunen und kosten!

Sehenswert, wenn: du Lust auf einen Marktbummel hast.
Du solltest nicht vergessen: Fischbrötchen und Tiramisu zu verkosten.
Du solltest: etwas kaufen – nicht nur schauen, kosten, probieren und Fotos machen!


Start der Vespa-Saison

Am 1. Mai startet Berlin offiziell in die „Vespa-Zeit“. Dafür treffen sich mehrere hundert Vespianer am Schöneberger Winterfeldtplatz und zelebrieren die Saison – und bevor man sie sieht, hört oder riecht man sie schon. Ja, so klingt und duftet eben der Sommer.

Sehenswert, wenn: du nichts zärtlicher findest, als den Fahrtwind im Gesicht zu spüren.
Du solltest nicht vergessen: deine muffige Jeansjacke zu tragen.
Du musst nicht: in einer Scooter-Gang sein.

Hach, Berlin, ick liebe Dir!

2 thoughts on “Berlin: Wie kann man sich das schöne Wetter nur so hart gönnen?

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