In der Ferne bellt ein Hund, Autotüren werden auf- und zugeschlagen. Der Duft von gegrilltem Fleisch, Sonnenöl und Hibiskusblüten weht über die Terrasse. Irgendwo summt eine Biene. Die Katze hat es sich neben der Luftmatratze bequem gemacht.

In der Hügellandschaft von Korfu, eingebettet zwischen Oliven- und Mandelbäumen, Zypressen und Kiefern, liegt das Dorf Sinarades und ich – auf einer aufblasbaren Matratze im Innenhof einer jahrhundertalten Olivenpresse. Stundenlang lesend kommt nichts zwischen mich und das Plastik meiner Luftmatratze, außer vielleicht die Philosophie von Camus – zum Glück hat das Leben keinen Sinn: also völlig zwecklos gerade im Urlaub danach zu suchen. In Anbetracht dessen erfasst mich eine zärtliche Lethargie und müßig fließen die Tage auf der Insel dahin.

Gekonntes Nichtstun

Schon Mythologie und Geschichte bestätigen: Korfu ist ein hervorragender Rastplatz. Einst legten Medea und Iason in der Argonautensage auf ihrer Flucht aus Kolchis eine Zwischenstation auf Korfu ein. Ebenso bringt Homer in seiner „Odyssee“ den erschöpften Odysseus auf dieses Eiland, damit ihn Nausikaa, die Tochter des Königs Alkinoos, finden kann. Und auch Kaiserin Elisabeth ließ sich auf Korfu ihr Sommerschloss Achilleion errichten – in Griechenland, der Heimat ihrer Seele.

Heutzutage ist ein Airbnb-Ferienhaus der perfekte Zufluchtsort. Auf einem kleinen Hang, mitten im Bergdorf Sinarades, liegt die Olivenpresse aus dem Jahr 1786, die von ihren Besitzern Kiki und Yannis rundum erneuert wurde.

Fast die ganze Renovierung wurde von einem Handwerker aus dem Dorf besorgt, der in stundenlanger Handarbeit ein kleines Juwel freilegte.

Unumstritten sind die Hausherren der Inbegriff von griechischer Gastfreundschaft: Beim Eintreffen sorgen sie dafür, dass der Kühlschrank bis oben hin mit landestypischem Essen gefüllt ist. Außerdem wachsen Tomaten und Basilikum auf der Terrasse, die gleich mehrmals auf den Tellern landen. Die Tage auf Korfu werden zur gut vermengten Leichtigkeit des Seins: Dolcefarniente, Kultur, Baden und Bummeln.

Die Highlights waren:

Korfu-Stadt – oder: die Wendeltreppe ins Meer

Korfu-Stadt ist die Inselhauptstadt von Korfu. Von den Burgen und Dächern zeigt sich das Zentrum ganz anders, als es der Reisende erwarten würde. Die romantische Altstadt mit den malerischen Gassen erinnert an Italien und gibt somit auch gleich ihre venezianische Herkunft preis. Aber auch französische und englische Gouverneure haben in der Stadt ihre Spuren hinterlassen, sodass der Tourist die typischen weiß-blauen Häuser als griechisches Klischee vergebens sucht. Blumentöpfe, Wäscheleinen und die terrakottafarbene Patina verleihen den Häusern ihr reizvolles Aussehen. Abgesehen davon zeigen zahlreiche Sehenswürdigkeiten die multikulturelle Geschichte der Stadt und Kulturreisende kommen völlig auf ihre Kosten. Auch kulinarisch bleiben keine Wünsche offen: Viele Restaurants, Cafés, Eisgeschäfte laden zum Verweilen ein.

Mein Resümeé: Einmal Korfu-Stadt ist nicht genug.

Das venezianische Bergdorf Sinarades

Sinarades liegt im Westen der Insel und ist eines der größten und schönsten Bergdörfer auf Korfu. Auf der einzigen Durchgangsstraße befinden sich noch viele Häuser aus der venezianischen Zeit mit ihren überdachten Innenhöfen. Tavernen und kleine Geschäfte sind noch sehr ursprünglich und desto höher man ins Dorf hinaufsteigt, desto älter werden auch die Gebäude.

Mein Resümeé: Ein Spaziergang durch das Dorf kombiniert mit einem griechischen Café Frappé am Hauptplatz garantiert eine charmante Zeitreise.

Canal d’Amour: Opfer von Massentourimus und Erosion

Der Canal d’Amour zählt zu den Naturwundern von Korfu. Faszinierende Felsformationen ragen in das blaue ionische Meer und eignen sich gut als Fotomotiv. Obendrein basiert der Name des Liebeskanals auf einer Legende, die besagt: Verliebte, die gemeinsam hindurchschwimmen, werden einander ewig lieben.

Trotz dieser schönen Fantasiegeschichte ist der Ort nur bedingt empfehlenswert. Infolge des Massentourismus hat das Dorf Sidari längst seine Authentizität eingebüßt und es wird sogar behauptet, dass der ursprüngliche Felsentunnel bereits der Erosion zum Opfer gefallen ist.

Mein Resümeé: Vielleicht nicht der beste Ort, um sich die ewige Liebe zu sichern.

Flugzeuge über der Mäuseinsel und dem Kloster Vlacherna

Kein Geheimnis und in jedem Reiseführer zu finden: der Blick von Kanoni auf die Mäuseinsel und die Klosterinsel Vlacherna. Das kleine Kloster stammt aus dem 17. Jahrhundert und nimmt fast das gesamte Eiland ein. Nur einige hundert Meter neben den Sehenswürdigkeiten liegt der Flughafen von Korfu. Die sehr kurze Landebahn ist geradezu berüchtigt: Immer, wenn Flugzeuge starten, wird der landseitige Verkehr – auf der unmittelbar hinter der Piste gelegenen Hauptstraße – aus Sicherheitsgründen angehalten. Noch dazu liegt das Rollfeld zwischen zwei Hügeln und ist fast ganz von Wasser umgeben. Davor und direkt im Wasser befindet sich ein Damm, der nur für Fußgänger, Fahrrad- und Motorradfahrer zugänglich ist – die Dammmitte ist ein idealer Platz für Fotografen.

Mein Resümeé: das Paradies für Planespotter.

Die Traumwelt einer Kaiserin: Schloss Achilleion

Einige Kilometer südlich der Hauptstadt liegt der Sommerpalast der Kaiserin Elisabeth: das Achilleion. Aus Liebe zu Griechenland ließ sich Elisabeth einen Palast im pompejischen Stil errichten. Die Möbel wurden der Antike nachempfunden – lediglich die vorgesehenen Räume für Franz Joseph erhielten eine moderne Ausstattung. Doch besuchte der Kaiser seine Frau niemals auf Korfu und auch die Kaiserin gab den neoantiken Traumpalast sechs Jahre nach Fertigstellung auf. Wehmütig beklagte sie:

„Unsere Träume sind immer schöner, wenn wir sie nicht verwirklichen.“

Mein Resümeé: Die Architektur, die Gartenanlage und die Aussicht sind beeindruckend – um den Reisegruppen zu entgehen, sollte man nicht zu spät auflaufen.

Das Gefühl von Freiheit: ein Bootstrip

Einen der schönsten Tage meines Lebens verbrachte ich am Boot. In der Bucht von Paleokastritsa liegt der Bootsverleih Ampelaki Boats. Problemlos lassen sich kleine Speedboote vorab online reservieren und dort abholen. Nach einer kurzen Einweisung ist die Nussschale bereits am offenen Meer und steuert in einsame Buchten – dort springe ich direkt ins türkisblaue, kristallklare Wasser und sonne meinen Nudelsalatbauch an Deck. Nur vor dem eigenen Übermut sollte man sich in Acht nehmen: Das kleine Motorboot zieht das Tempo geradezu an.

Mein Resümeé: Do it, if you can!

Das Sosein des Lebens

Bisweilen frage ich mich vor einer Reise, ob es sich überhaupt lohnt, bis zur Gangway E-Mails zu schreiben, wochenlang vorauszuplanen, nächtelang durchzuarbeiten – nur um sich einmal ein bisschen Auszeit zu gönnen. Denn ehe man sich versieht, wälzt man aufs Neue den schweren Stein den Berg hinauf, der ohnehin jedes Mal wieder herunterfällt. Und sofort danach, zurück in den eigenen vier Wänden, beim morgendlichen Zähneputzen, noch vor dem ersten Kaffee, stößt einem die bittere Pointe des Absurden auf und dann ist es noch schwieriger, sich Sisyphos glücklich vorzustellen. Dennoch – oder gerade deswegen – lautet das Resümeé meines Sommers: Von Zeit zu Zeit braucht der absurde Mensch eine griechische Insel, um richtig glücklich zu sein.