Bildanalyse
Das Foto zeigt die Front des Schlosses Schönbrunn, durch das geschlossene Gitter des Haupttors. Wachbeamte sind vor und hinter dem Tor postiert. Sie stehen teilnahmslos da.
Es hat den Anschein, als würden sie dem Fotografen keinerlei Aufmerksamkeit beimessen, als wäre es alltäglich für sie geworden, fotografiert zu werden, fast wie in unserer Gegenwart, in der sie regelmäßig von tausenden Touristen abgelichtet werden würden.
Verwaistes kaiserliches Domizil: Wachen vor dem Eingang von Schloss Schönbrunn, Dezember 1918, Foto: Richard Hauffe © Wien Museum
Bildaufbau
Zum Bildaufbau ist zu sagen, dass sich der perspektivische Bildmittelpunkt nahezu im Zentrum des Fotos befindet. Das Bild wird durch annähernd waagrechte und senkrechte Linien dominiert und strukturiert, welche eine Art Gitter bilden. Die Protagonisten werden dadurch eingegrenzt. Bei diesem Motiv haben wir es mit einer Zentralperspektive zu tun. Der Fluchtpunkt befindet sich im Zentrum der Aufnahme und verläuft fast genau in das Herz des Schlosses – oberhalb der Freitreppe vorbei, in eines der hohen Fenster der großen Galerie. Somit wird hier planimetrisch fokussiert. Durch die horizontalen und vertikalen Linien – die das Gitter des Haupttors, aber auch die der Freitreppe und das Schlossdach vorgeben – wirkt die Szenerie, als würde sie die Wachposten einrahmen. Es handelt sich um eine Schwarz-Weiß-Fotografie. Die Bildgröße ist 9 x 13 cm. Es ist das Werk von Richard Hauffe, der die Geschehnisse im Dezember 1918 mit seiner Fotokamera dokumentierte. Einige festere und leichtere Kratzspuren sind auf dem Abzug zu erkennen.
Bildbeschreibung
Auf dem Foto ist zu sehen, dass es gerade geschneit hat. Frisch gefallener Schnee liegt auf dem Vorplatz. In der Mitte des Ehrenhofs sind Reifenspuren zu erkennen, die subtil auf die Abreise des Kaiserpaares verweisen. Die bekannten Brunnenanlagen bzw. die Bassins der Brunnen sind nicht auszunehmen, da der Neuschnee sie vollkommen bedeckt. Auch die Figurengruppen der beiden Brunnenbecken sind nicht zu sehen, denn der Bildausschnitt konzentriert sich auf die Mitte des Ehrenhofs, gerahmt durch die Öffnung des Tores – sowohl das östliche Bassin auf der Meidlinger Seite sowie das westliche Bassin auf der Hietzinger Seite liegen außerhalb des Blickfeldes der Fotografie.
Die sechs Wachposten sind mittleren Alters. Sie tragen Uniformen mit Kappen. Dicke Pelzkragen sind an vier Männern zu erkennen, nur ein Wachmann ist leichter bekleidet. Es ist schwer zu sagen, um welche Uniformen es sich genau handelt, da die Uniformen der österreichischen Wachkörper (Polizei, Gendarmarie, Zollwache, Justizwache) bis 1918 weitgehend den militärischen Uniformen nachgebildet wurden, danach nahmen sie eine selbstständige Entwicklung (AEIOU – das Kulturinformationssystem 2004).
Die Gebärden der Männer wirken teilnahmslos. Die Körper der beiden Wachen, die außerhalb des Tors stehen, wenden sich sichtlich von der Betrachterin ab. Es scheint, als wären ihnen die Fotoaufnahmen vielleicht doch unangenehm oder peinlich.
Von einem der Männer erkennt man kaum das Gesicht, nur sein Bart ist zu sehen, der andere blickt zum Hadikpark – er lässt den Blick sichtlich am Fotoapparat vorbeischweifen. Auf den Verzierungen des Haupttors ist gleichfalls der Schnee liegen geblieben – ein kalter Wintertag vermutlich. Drei der restlichen Wachposten, allesamt hinter dem Haupttor platziert, blicken in Richtung Kamera. Alle Männer haben die Hände in den Taschen, was ebenfalls auf einen frostigen Tag schließen lässt. Ein Wachmann patrouilliert mit einem Gewehr über den Ehrenhof. Sein Blick wendet sich nach rechts, als würde er sich nach seinem Hund umsehen, um ihm gleich ein Kommando zu geben.
Im Hintergrund ist das Hauptgebäude des Schlosses zu sehen. Auf dem Dach liegt Neuschnee, der den oberen Bereich der habsburgischen Sommerresidenz fremdartig wirken lässt. Als hätte das letzte Stockwerk im Dezember 1918 einen plötzlichen Umbau erfahren – eine Sinnestäuschung, die der weißen Pracht an diesem historisch bedeutsamen Tag zuzuschreiben ist. Ansonsten ist der Ehrenhof völlig leer.
Das Schloss sah auf dem Foto, an diesem grauen Wintertag, bedeckt mit Schnee, so menschenleer und friedlich aus, als wäre es noch Teil der „Welt von gestern“.
Abschnitt I – Memoria, Erinnerung, Gedächtnis
Abschnitt II – Auswahl Foto
Abschnitt III – Bildaufbau und Bildbeschreibung
Abschnitt IV – Geheime Wege
Abschnitt V – Erinnerungstourimus
Abschnitt VI – Schönbrunn als Erinnerungsort
AEIOU – das Kulturinformationssystem , 2004. AEIOU – das Kulturinformationssystem. [Online]
Available at: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.u/u490566.htm
[Zugriff am 3 12 2018].