Erinnerungstourimus
Bereits 20.000 Gäste ließen sich Ende der 1920er Jahre durch Schloss Schönbrunn führen und auch Souveniranbieter gab es bereits. An einer bestimmten Stelle der Schauräume stand ein Fotograf, der die Besuchergruppen ablichtete und sich für die Reproduktionen entsprechende Gebühren zusenden ließ (Brocza & Stadelmann 2000, 5–174).
In den 1920er Jahren zahlten die nicht Ortsansässigen (dazu zählten auch die Einwohner ehemaliger Kronländer – und Reichsdeutsche) doppelt so viel wie Inländer.
Heutzutage besuchen circa 2,7 Millionen Gäste pro Jahr das Schloss. Der Park und alle anderen Einrichtungen in Schönbrunn ziehen circa sechs Millionen weitere Menschen im Jahr an. Somit frequentieren rund 8,7 Millionen Besucher_innen jährlich die Attraktionen in Schönbrunn (Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. 2018).
Und noch immer erfolgt der Exit durch den Souvenirshop: Prinzessinnenkleid, Porzellanbadewannen als Seifenspender, Plastik-Miniaturen, geschmacklose Sisi-Postkarten und zahlreiche Brokatdeckerl, wohin das Auge reicht – ganz frei nach dem Motto: Kitsch as Kitsch can.
Auf den Spuren von Kaiserin Elisabeth
„Ich hab den Kaiser so lieb! Wenn er nur kein Kaiser wäre!“ soll Elisabeth ausgerufen haben, als sie erfuhr, dass Franz Joseph um ihre Hand anhalten wollte (Merkle 2011, 29).
Elisabeth hat sich zeitlebens gegen die habsburgische Tradition aufgelehnt. Sie war die Tochter des Herzogs Max von Bayern und der Herzogin Ludovika. 1853 verliebte sie sich in Bad Ischl in den jungen Kaiser Franz Joseph, ihren Cousin. Die Hochzeit folgte in der Augustinerkirche in Wien. Die Person Kaiserin Elisabeth wurde Sinnbild für die ausklingende Habsburgermonarchie – ihr Schicksal steigerte ihr Andenken bis zum Sisi-Kult. Nicht zuletzt trug der Anarchist Luigi Lucheni dazu bei, dass viele Menschen sich für ihr Leben über die Maßen interessieren.
Als „Sissi“ eroberte Romy Schneider die Herzen der Zuschauerinnen in den 1950er Jahren. Am 23. September 2018 wäre die Schauspielerin 80 Jahre alt geworden. Aber nicht nur seit der Sissi-Trilogie von Ernst Marischka beschäftigt Kaiserin Elisabeth die Nachwelt. Bereits 1919 gab es den ersten Film über die Kaiserin und auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie gab es in den 1930er Jahren Fortsetzungsromane, die nach dem Zweiten Weltkrieg Grundlage der Sissi-Filme werden sollten.
Politisch äußerte sich Elisabeth in ihren letzten Jahren kaum. Sie hatte sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen und als sie dem Attentat in Genf zum Opfer fiel, bedauerten die Medien nicht nur ihr Schicksal, sondern vor allem den armen Kaiser.
Und schon damals wusste man bereits das Thema des einsamen Kaisers, der vom Schicksal gebeutelt wurde, für monarchistische Propagandazwecke auszunutzen: Gedenkbilder und Münzen, Postkarten, allerlei Gebrauchsgegenstände mit dem Konterfei der Monarchin und die verschiedensten Memorabilien eroberten die Souvenirläden (Haslinger et al. 2010, 20). Damit wurde Elisabeth das Dokument einer inbrünstigen Täuschung: der ewig jungen und bezaubernden Kaiserin.
Abschnitt I – Memoria, Erinnerung, Gedächtnis
Abschnitt II – Auswahl Foto
Abschnitt III – Bildaufbau und Bildbeschreibung
Abschnitt IV – Geheime Wege
Abschnitt V – Erinnerungstourimus
Abschnitt VI – Schönbrunn als Erinnerungsort
Brocza, J. & Stadelmann, C., 2000. Die Leute von Schönbrunn – über die Nutzung des Schlosses im 20. Jahrhundert, Wissenschaftliche Reihe Schönbrunn,. Band 6 Hrsg. Wien: Schloß Schönbrunn Kultur- u. BetriebsgesmbH.
Haslinger, I., Lichtscheidl, O. & Wohlfahrt, M., 2010. Kaiserappartements, Sisi Museum, Silberkammer. 4. Auflage Hrsg. Innsburck: ALPINA Druck GmbH.
Merkle, L., 2011. Sisi – Die schöne Kaiserin. 4. Auflage Hrsg. München: Stiebner Verlag GmbH.
https://www.schoenbrunn.at/fileadmin/user_upload/Schoenbrunn/Images/PDF/SKB_Unternehmensbroschuere_2018.pdf