Schönbrunn als Erinnerungsort

Selbst nach oftmaligem Betrachten bleibt das Foto aus der Ausstellung bizarr. Es scheint, als hätten die Soldaten alleine Sorge zu tragen, dass das Schloss im Schnee völlig unberührt bleibt, konserviert in den Ereignissen und und vollkommen unbeeindruckt vom fortschreitenden Niedergang der Monarchie.

Selbst wenn es ein unmögliches Unterfangen ist, vergangener Ereignisse anhand einer Fotografie authentisch zu erfahren – denn ein Zurück hinter die Bilder gibt es nun einmal nicht – bedeutet Gedächtnis „einem Ereignis aus der Gegenwartsperspektive Sinn und Bedeutung zu verleihen“ (Uhl 2013, 30–32).

Die Grausamkeit und Sinnlosigkeit dieses Krieges kann weder anhand einer Fotografie vermittelt werden, noch mithilfe filmischer Neuinterpretation oder dem Zugang zu Millionen digitaler Objekte dieser Zeit. Genauso wenig gelingt uns dies hinsichtlich gegenwärtiger Kriege, wenn beispielsweise echte Aufnahmen aus Kampfflugzeugen, die über eingebaute Kameras verfügen, den Anschein eines Computerspiels erwecken.

Die heutige Vermittlung und Überlieferung von Konflikten – stets eng verknüpft mit dem Wunsch nach visuellen Belegen – dient zumeist dazu, die Illusion eines sauberen Krieges zu erzeugen: Jedoch ist Krieg immer schmutzig, brutal und grausam.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in Schönbrunn jedenfalls keiner dieser zentralen Gedächtnisorte zu finden ist. Gedenktafeln oder dergleichen, die die historischen Geschehnisse um 1918/19 ins Gedächtnis rufen, sucht man am Areal vergebens. Und es gibt auch sonst in Österreich keinen mir bekannten Erinnerungsort, der explizit dem Ersten Weltkrieg gewidmet ist und das, obwohl der Beginn der Ersten Republik zu den wichtigsten historischen Ereignissen der österreichischen Geschichte zählt.

Möglicherweise ist dafür das Vorhaben einer völligen Konservierung im und rund um das Schloss Schönbrunn gelungen: Das offizielle Geschichtsbild hat sich verklärt und wich völlig der imperialen Vergangenheit Österreichs. Das ehemalige Schlossleben fungiert nun als Teil eines künstlich stillgelegten Lebens, wie auf einer Postkarte: Kitsch und heile Welt …

… gäbe es da nicht ein paar Fahrradspuren am Areal (freilich nicht ohne Ausweis).

Abschnitt I –  Memoria, Erinnerung, Gedächtnis
Abschnitt II –  Auswahl Foto
Abschnitt III –  Bildaufbau und Bildbeschreibung 
Abschnitt IV – Geheime Wege
Abschnitt V – Erinnerungstourimus
Abschnitt VI – Schönbrunn als Erinnerungsort


Uhl, Heidemarie: Der Erste Weltkrieg im Gedächtnis Österreichs und (Zentral)Europas – Gedächtnistraditionen in (trans)nationaler Perspektive, in: Christa Hämmerle et al.: Grundlagenpapier österreichischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Anlass des Gedenkens des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, Wien 2013, 30-32. Unter: http://www.bmeia.gv.at/fileadmin/user_upload/bmeia/media/3-Kulturpolitische_Sektion_-_pdf/Themen_Dateien/Grundlagenpapier_1914_-_2014.pdf

1 thought on “Nicht ohne Fahrradausweis – Schloss Schönbrunn im Augenschein der Memoria. Abschnitt VI

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